f) Symbolik der Tore und der Schwelle
Das Tor und die Schwelle stehen an der Grenze zwischen dem Chaos außen und der
göttlichen Ordnung und dem Kosmos innen. Sie trennen und verbinden, führen in
einen anderen Bezirk und schließen von ihm aus. Diese beiden Funktionen können
so zusammengefasst werden:
Verteidigung und Abwehr
Tor und Schwelle sollen gegen böse Eindringlinge schützen, damit der Heilige Ort
von Unwürdigen nicht entehrt wird. Die Idee der Abwehr und Verteidigung wurde
daher dem Erzengel Michael, dem Sieger über Satanael, sowie dem Schlüsselwalter
Petrus & dem beschwerteten Paulus übertragen. Früher waren es Saturn und Mars
(St.Othmar, Mödling), die den Eingang bewachten. Von der italienischen Romanik
bis zur Renaissance behüten Löwen den Eingang.
Einladung und Verheißung ewigen Heils
Andererseits soll die (rechte) offene Türe des
Kirchenportals einladen und zum Eintritt ermutigen.
Denn Christus sagt "Kommt alle zu mir, die ihr
mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken."
Das Halbrund über dem Portal, das Tympanon, ist
in der Romanik und Gotik oft, mit dem am Ende der
Zeiten wiederkommenden Christus (in der Mandorla)
geschmückt, der ewiges Heil verheißt.
Damit kommen die Darstellungen, wie man zu diesem
Heil gelangen kann und wie nicht. Auf der linken
Seite (von der Kirche aus gesehen) ist der Teufel,
die Bösen und Verdammten und auf der rechten
geleiten Engel die Barmherzigen, Armen und
Gerechten in den Himmel.
Bewacht wird der Heilige Ort auch durch den/die
Löwen am Portal, der gut ist zu den Guten und bös zu den Bösen. Dieses
Symboltier kam durch syrische, ägyptische und mesopotamische Mönche nach
West- und Südeuropa. Die keltischen Missionare hatten statt des Löwen die
Tarasque oder andere Ungeheuer als Hüter der Schwelle. Wichtig für die Deutung
von Darstellungen und Symbolen ist
die Position in der Gesamtdarstellung,
Aktivitätsrichtung usw. ähnlich wie bei
tiefenpsychologischen Bilddeutungen
von links, rechts, vorne, hinten usw.
Über einem romanischen Portal finden
wir im Halbrund 3, 5 oder 7 Bögen
(Archivolten) die jeweils in Säulen
(Gewände) enden. Dieses Halbrund ist
das Symbol für den Regenbogen, der
ein Zeichen für den Bund Gottes mit
den Menschen nach der Sintflut war
(Gen.9,9-17). In diesem Halbrund
finden wir die 24 Ältesten, die in der
Apokalypse des Johannes beschrieben
werden. Wir sehen sie als Weise oder
Könige, in der einen Hand ein Musik-
instrument, als Wissende der Harmonik
von Musik und Architektur und in der
anderen Hand den Glaskolben des
Alchimisten, der das Wissen um die
Zusammenhänge und Wandelbarkeit
der Materie besitzt.
Die Darstellungen der 12 Tyrkreiszeichen sowie Darstellungen im Jahresablauf des
Bauern im Tympanon sind Symbol für den Zyklus des Jahreskreises, der Zeit und
Ewigkeit.
All die genannten Darstellungen drücken auch die Symbol-Energien aus, die hier
vorhanden sind. Die Gewändesäulen wirken wie Bürsten, die die Aura der
Eintretenden reinigen. Die "Verzierung" dieser Säulen wirken dabei verstärkend. (Die
Romanik kennt keine Verzierungen und "künstlerische Ausschmückung" ist ihr fremd.
All die Symbole oder Figuren haben ihre Bedeutung!) Die Bedeutung und Symbolik
erhalten die Tore wesentlich auch durch die Himmelsrichtung zu der sie sich öffnen.
Dieser Symbolik begegnen wir in ähnlicher Form bei antiken Tempeln und Stadttoren
vorgeschichtlicher Zeit:
Das WESTTOR
Aus diesem Tor treten alle Adepten und Initianten, jene, die sich gegen Ende ihres
Lebens absondern, vergeistigen oder um in der Einsamkeit zu sterben. Hier
verlassen auch die Gläubigen und Hochzeitspaare unter machtvollem Orgelspiel das
Gotteshaus, um als "Auferstandene", als Paar, ein neues Leben zu beginnen.
Das NORDTOR
Das ist der Eingang für besondere Anlässe. Aus diesem Tor wurden die Dämonen
ausgetrieben. Die Absage des Täuflings an den Satan erfolgte nach Norden. Der
Norden symbolisiert für die Christen Nacht, Finsternis, Kälte, Luzifers Reich und die
Barbaren. Damit ist die Abgrenzung zur nordischen Religion der Germanen
ausgedrückt und zu ihrer "Verteufelung".
Das SÜDTOR
Der Süden symbolisiert Wärme, Feuer und den geflügelten Löwen. Durch dieses Tor
kommen alle guten Dinge, besondere Gäste, fürstliche und geistige Würdenträger.
Das OSTTOR
Ein Osttor ist nur sehr selten ausgeführt, denn meist ließ man nur die
wiedergeborene Sonne, als Symbol Gottes und Christi beim Ostfenster herein. Es ist
jene Richtung, in die das Gebet aller (patriarchalen) "Sonnenreligionen" gesprochen
wird. Die Zeremonien um Tod und Auferstehung betonen den Osten als
Sonnenaufgang und Leben. Wenn ein Tor ausgeführt war, dann war es der Eingang
der Würdenträger.
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