Und so vergaß der Mensch,
dass alle Gottheiten
in seiner Brust wohnen
William Blake 1757-1827
Vorerst ein Überblick, wie sich die Religionen entwickelt haben und wie die Mythen weitertradiert wurden.

Als sich der Mensch der Altsteinzeit ein zusammenhängendes Denken erwarb,
bemühte er sich um eine geistige Bewältigung der Erscheinungen und Ereignisse
seiner Erlebniswelt. Durch das Unerklärliche, wie z.B. der Tod, entstanden hei allen
Völkern und in allen Kulturen religiöse und kultische Vorstellungen. Auch die
Themen und Inhalte waren bei fast allen übereinstimmend. Die aus den
parareligösen und religiösen Vorstellungen entstandenen Kulte standen trotz aller
scheinbaren Transzendenz immer mit dem unmittelbaren Leben in Zusammenhang.
Diese Kulte sollten es dem Menschen erleichtern, im täglichen Leben zu bestehen.
Ihre Aufgabe war es, das gesellschaftliche Zusammenleben zu regulieren und auf
die Einhaltung gesellschaftlicher Normen hinzuwirken. Die Kulte und Magie der
Altsteinzeit-Gesellschaft waren auf das Diesseits gerichtet! Die These eines
erstrebenswerten Jenseits zum Ausgleich für das miserable Diesseits entstammt
der Religion der Klassengesellschaft vorbehalten.
Aus der Naturreligion entwickeln sich aufgrund von Klima und Lebensweise die
einzelnen Religionen in den verschiedenen Völkern. Die Juden beziehen viele ihrer
Mythen von den Sumerern, Ägyptern und Persern (z.B. Mithras) und entwickeln mit
ihren eigenen religiösen Erfahrungen daraus ihre monotheistische Religion. Auch die
Griechen beziehen viele Mythen von diesen Völkern für ihre polytheistische
Religion. Die Kelten und Germanen beziehen ihre ersten Mythen von den
sogenannten Nordvölkern, wie z.B. den Pelasgern sowie aus dem eurasischen
Raum. Die Religion der Christen bezieht überwiegend aus Leben und Aussagen von
Jesus seine Grundlagen. Dazu kommen die jüdischen Mythen des Alten
Testaments, die mit einigen griechischen Mythen ergänzt werden. Es ist die
Tatsache zu berücksichtigen, dass fast alle Religionen bzw. Hierophanien von der
religiösen Elite anders dargelegt und aufgefasst wird als vom Rest der
Gemeinschaft. Dies finden wir auch heute noch, dass in den katholischen
Universitäten moderne Theologie gelehrt wird und in manchen Pfarren noch das
Mittelalter grüßt.
Von der ursprünglich lebensfreundlichen Religion der missionierten Länder
Mitteleuropas grenzte sich das Christentum ab und verteufelt (siehe Glossar) ihre
Riten und Kultplätze. Was aus dem Volk nicht zu verdrängen war, landete in den
Mythen und Riten der Volksreligion. Die Volksfrömmigkeit orientiert sich
selbstverständlich in erster Linie an der christlichen Weltdeutung. Das Volk kann
aber mit der intellektuellen Religion der Theologen nicht viel anfangen, die
Volksreligion integriert auch andere Elemente, vor allem magische, weil diese
sinnlicher und direkter wahrnehmbar sind. Manches davon ist von der Kirche
anerkannt, manches nicht, was aber nichts an Verehrung und Praxis ändert .
Gottheiten und Gottesvorstellungen
Gottheiten wurden immer als jene Wesenheiten gesehen, die das Leben des
Menschen schenken und es beeinflussen, also außerhalb ihres Willens war. Je nach
Entwicklung des Bewusstseins wurde auch das Gottesbild geprägt. Ursprünglich
waren es die Tiere, die stärker, größer oder schneller waren als die Menschen, die
im Totemismus ihre Ahnen in Bären, Löwen, Hirsche usw. verehrten. Vielleicht
waren dies die auch Urerinnerungen, da sich ja die Menschheit evolutiv aus dem
Tier entwickelt hat.
Dann wurde erkannt, dass die Mutter Erde jene ist, aus der alles Leben kommt und
auch wieder zu ihr zurückkehrt. Vor 250.000 Jahren wurde sie auch zur kosmischen
Mutter. Mit der Differenzierung des Bewusstseins wurden verschiedenste
Naturkräfte als göttlich gesehen, wie die Naturwesen in den Elementen Erde,
Wasser, Luft und Feuer. Auch die Sonne, die Planeten und Sterne werden zu
Symbolen der Gottheiten, wie Venus, Mondin, Merkur usw.
Die nächste Stufe war die Vergöttlichung von ersten Stammesführern, Helden und
Königen. Langsam verstärkt sich die Erkenntnis, dass es nur eine Gottheit mit
vielfältigen Aspekten gibt. Dies finden wir in den monotheistischen Religionen sowie
bei den matriarchalen Religionen, wo die Muttergöttin als dreifaltig gesehen wurde
(siehe unten).
Anfänglich war der jüdische Jahwe nur ein Stammesgott. Später entdeckte
Abraham, dass sein Gott auch bei den Ägyptern Macht hatte. Moses bekommt die
Offenbarung, dass ihr Gott Jahwe jener ist, der immer für sein Volk da sein wird
(Exodus 2,23 ff) und die Israeliten sollen sich kein Bild von ihm machen.
Ursprünglich waren in Gott alle guten und bösen Eigenschaften vereint. Später
waren es nur die guten Seiten, die Gott zugeschrieben wurden und die bösen
Eigenschaften dem Teufel. Der Menschensohn Jesus spricht von Gott als seinem
Vater und lehrt, wer mich sieht, sieht den Vater . Eine weitere wichtige Aussage
von Christus in Bezug darauf wo wir Gott erfahren können, ist „Was ihr für einen
meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan..“ (Mt. 25,40) Somit
können wir im Nächsten Gott sehen und erkennen. Heißt das nicht auch, dass
jeder Mensch göttlich ist?
Der christliche Gott wird dreifaltig gesehen als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die
weiteren reichen Facetten göttlicher Seiten und Hilfen werden durch die vielen
Heiligen personifiziert. Die meisten von ihnen haben die Plätze der ursprünglichen
Götter und Göttinnen eingenommen.
Bis heute haben wir es verabsäumt, Gott mit unserem heutigen Bewusstsein zu
erkennen und Vorstellungen zu entwickeln, wer er ist. Wir verwenden immer noch
die alten Gottesbilder und Weltbilder. Gott ist nicht in der Polarität des Menschen
von männlich und weiblich, doch welchen Namen geben wir dieser Gottheit? Wäre
vielleicht das Göttliche Kind in uns eine neue Vorstellung unserer Gottheit?
Interessant sind die Aussagen von Pierre Teilhard de Chardin, der aufgrund seiner
paläontologischen Forschungen zur Erkenntnis kommt, dass wir uns auf den
Kosmischen Christus, den Punkt Omega hinentwickeln. Dies ist eine konkretere
Aussage als es in der Apokalypse vom „Wiederkommenden Christus“ steht.
Aus der Diskussion mit meinem Freund Christian hat sich in mir eine neue
Vorstellung eines Gottesbildes entwickelt, das nun nachhaltig mein Leben
beeinflusst. Gott oder seine göttliche Energie umschließt uns, unsere Erde und den
ganzen Kosmos wie eine Atmosphäre, die wir ständig einatmen. Wie ein Fisch im
Wasser sind wir mit ihm und seiner göttlichen Liebe umgeben und „atmen“ sie mit
den „Kiemen des Herzens“ ein. Es liegt nur an uns, diese wunderbaren
lebensförderlichen göttlichen Energien in uns einzulassen, aufzunehmen und uns
durchströmen zu lassen. Damit können wir uns, unsere Mitwelt und die Erde heilen
sind in der Hand Gottes und es geschieht immer nur das Beste für uns. Auch bei
den Naturheiligtümern finden wir die Kristallisationspunkte oder Verdichtungen
dieser göttlichen Energien, die uns in diesen evolutiven Entwicklungen fördern
können. Zum Gelingen unseres Lebens können die christlichen
Glaubensgemeinschaften einen guten Beitrag leisten.
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