Kirchengebäude - Fenster und Farben PDF Drucken E-Mail

 

g) Fenster und Farben

Mit den Fenstern wurde eine Lichtführung gestaltet, die je nach Zielvorstellung des

Baumeisters den Kirchenraum mystisch bis erhaben hell beleuchtet. Die Anzahl und

die Farben der Fenster haben eine symbolische Bedeutung und spenden dem

Kircheninneren das dem Genius loci, zugehörige Energiemilieu.

Durch die Baubiologie kennen wir die Bedeutung des Lichtes und der Farben auf

unsere seelische, emotionale und körperliche Gesundheit. Hierbei spielen Lichtstärke

und -rhythmus, Lichtverteilung und Geometrie sowie das Lichtspektrum eine große

Rolle. Inzwischen ist auch die biologische Wirkung des Lichtes gut erforscht. Auch

bezüglich der Farben kann in der einschlägigen Literatur über die psychologische

und biologische Heilwirkung von Farben nachgelesen werden.

In der Vorromanik und in der Romanik wollte man bei manchen Kirchen bewusst das

Symbol der Höhle durch die Kirche realisieren und verwendete sehr wenige Fenster,

um den Kultraum zu beleuchten. In der Apsis wurden dann keine Fenster

vorgesehen. Relativ oft finden wir drei Apsis-Fenster, wo die Dreifaltigkeit Gottes im

Morgenlicht bei der Messe erstrahlt und die Gottesgegenwart manifestiert. Am

Altartisch ist dieses Licht das Feuerelement bei der Konsekration von Brot (Erde)

und Wein (Wasserelement), bei der das Luftelement des Weihrauches nicht fehlten

darf.

In der Gotik erlangt die Kunst der Glasfenster-Erzeugung ihren Höhepunkt,

besonders in den französischen Notre-Dame-Kathedralen. Indem das Fenster das

Licht bändigte und zugleich diente, wirkte es weniger durch die Farbe des Glases,

als durch eine gewisse, nicht analysierbare Qualität der Farbe und des Glases.

Dieses Glas reagiert auf das Licht nicht wie normales Fensterglas. Es scheint zum

Edelstein zu werden, der das Licht nicht völlig durchläßt, sondern selber leuchtend

wird. Selbst bei sommerlicher Mittagssonne projiziert das Glasfenster nicht - wie

es gefärbtes Glas tut - seine Farbe auf den Boden, sondern läßt nur eine diffuse

Helligkeit durchscheinen. Bei trübem Wetter jedoch gewinnt man den Eindruck,

dass es die Fenster selbst sind, die nun zu leuchten beginnen. Mit der Umwandlung

des Außenlichtes zum Innenlicht wollte man jenes Energiemilieu erzeugen, das

diesem heiligen Orte dient. So wie das Licht die in der Erde schlummernden Samen

und Triebe zum Leben erwecken, so soll das durch die Glasfenster gewandelte Licht

die göttlichen Keime unserer Seele zum Leben erwecken.

Prof. Erich Huber stellt fest, dass die Glasfenster primär kein "Bilderbuch der

Analphabeten" (Biblia pauperum) sind, denn dazu sind die Darstellungen in der

großen Höhe viel zu klein. Es geht vielmehr darum, dass das Licht, das den Raum so

geheimnisvoll durchdringt, durch die Heilsgeschichte hindurchgegangen ist, ehe es

zur Wirkung kommt. Man möchte die spirituelle Realität, nicht den pragmatischen

Zweck erreichen! Es soll Christi Wort "Ich bin das Licht der Welt" durch das Licht

der Fenster in unsere Welt und Kirche eindringen.

In einigen alten Kirchen finden wir ein helleres Glasstück in einem Fenster, durch

das das Licht jahres- und tageszeitlich bedingt wie ein Lichtzeiger am Boden oder

an der Wand wandert. An einem bestimmten Tag im Jahr zu einer bestimmten

Stunde wird eine bestimmte Fliese oder Figur hell erleuchtet, manchmal vielleicht

der Priester. Das sind keine "Lichtspiele", sondern dieses kultische Licht hat seine

Wurzeln in den Lichtpunkten, die in den Dolmen zur Wintersonnenwende die Geburt

des Lichtes des neuen Jahres anzeigten. In einigen Kirchen werden durch den

"Lichtzeiger" bestimmte Teile eines Freskos angeleuchtet - passend zum

christlichen Jahresfest.